Selbstbewusstsein


Selbstachtung: Wenn alles andere wichtiger ist als der Respekt vor dir selbst
Von Barbara Pötter

Vor einiger Zeit ergab es sich durch Zufall, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben die Dschungelsendung gesehen habe. Und ehrlich gesagt war ich ziemlich schockiert über das, was ich gesehen habe. Die Teilnehmenden tun dort Dinge, die ihnen eigentlich zuwider sind. Sie werden von der Kamera in Positionen dargestellt, die man als Zuschauer im Grunde noch nicht mal sehen möchte.



Aber viele eben doch, denn dann kann man sich ja köstlich darüber amüsieren. Und die Moderatoren legen auch noch mal eine Portion drauf, indem sie sich über die Teilnehmenden lustig machen.

Mich hat das wirklich richtig erschreckt. Und ich fragte mich: Wie muss es eigentlich um den Respekt gegenüber sich selbst bestellt sein, wenn man sich so zum Affen machen lässt? Was muss eigentlich passiert sein, damit ich bereit bin, Dinge zu tun, die mir widerstreben? Wo ist da die Selbstachtung geblieben?

Dieses Thema hing mir dann noch ein paar Tage nach und ich habe mich irgendwann weitergefragt: Geht es uns nicht allen eigentlich ein bisschen so wie den Teilnehmenden im Dschungel? Geht es nicht vielen Menschen wie dir und mir im Alltag oft so, dass wir uns selbst keinen Respekt zollen? Uns und unsere Wünsche nicht genügend achten? Dass Menschen wie du und ich Dinge tun oder auch Dinge zulassen, die wir eigentlich nicht wollen oder die uns nicht guttun? Wo wir uns sozusagen auch ein bisschen zur Schau stellen als jemand, der wir in unserem Kern vielleicht gar nicht sind? Wo wir es also selbst zulassen, dass wir oder andere über unsere eigene Schmerzgrenze hinausgehen?

    o Wenn du von einer anderen Person tief verletzt wirst und du nimmst das einfach so hin. Denkst vielleicht sogar noch: „Na ja, da bin ich auch selbst schuld, weil ..."

    o Wenn du krank bist und du dich trotzdem noch zur Arbeit schleppst.

    o Wenn du „ja" sagst, obwohl du „nein" meinst.

    o Wenn du dich über etwas, das jemand anderes getan hat und das mit dir selbst zu tun hat, tierisch ärgerst oder wütend bist. Und diesen Ärger einfach in dich hineinfrisst, anstatt die Angelegenheit zu klären.

    o Wenn du dir in Gedanken selbst den ganzen Tag böse Sachen sagst wie: „Das schaffst du eh nicht, „Bist du doof, das hättest du doch merken müssen", „Die Präsentation wird bestimmt ein Reinfall" etc.

    o Wenn du nicht auf die Signale des eigenen Körpers hörst: Nicht ins Bett gehst, obwohl du müde bist. Deinen Körper stundenlang joggend durch den Wald schickst, obwohl die Muskeln schon nach Erholung schreien.

    o Wenn du in einer unglücklichen Beziehung bleibst, obwohl es dir alles andere als gut geht.

    o Wenn Mitmenschen dich unter Druck setzen und du gezwungenermaßen mitmachst, obwohl du es eigentlich nicht willst.

    o Wenn du dich nicht traust, deine Meinung zu sagen, weil du vielleicht meinst, sie sei eh nicht wichtig.

    o Wenn du einen Termin nach dem nächsten in deinen Kalender schreibst, so dass keine Zeit mehr für deine Erholung bleibt.

In all diesen Momenten achten wir uns selbst nicht genug. Wir nehmen uns und unsere Schmerzgrenzen sozusagen nicht wichtig, denn etwas anderes scheint noch wichtiger: das Gegenüber, die Arbeit, die Freunde, der Eindruck auf andere, die zu erbringende Leistung, die Anerkennung, ... Alles wichtiger als wir selbst.

Das ist traurig. Verdammt traurig. Weil wir uns selbst schwächen, wenn wir nicht für das einstehen, was uns wichtig ist. Weil wir uns selbst nicht wichtig genug nehmen, wenn wir andere mit uns umspringen lassen, wie es ihnen lieb ist. Da sinkt unser Selbstbewusstsein Stück für Stück. Oder unser Körper wird immer schwächer, wenn wir ihn immer übergehen und ihm keine Ruhe gönnen. Und dann ist er irgendwann vielleicht zu müde, um noch aufzustehen.

Wie ist das bei dir? Wie steht es um deine Selbstachtung? Gehst du immer respektvoll mit dir selbst um? Oder gibt es Momente, in denen dir das nicht gelingt? Was sind das für Momente?

Respektvoll mit sich selbst umgehen, die eigenen Grenzen achten und sich dafür einsetzen, dass sie nicht überschritten werden. Nicht einfach, aber so unheimlich wichtig für ein gesundes und selbstbestimmtes Leben.